Was bedeutet Schriftspracherwerb?

Der Schriftspracherwerb ist ein bedeutender Entwicklungsschritt im Leben eines Kindes. Während die gesprochene Sprache in der Regel intuitiv und durch Nachahmung erworben wird, erfordert das Erlernen der Schriftsprache gezielte Förderung, systematische Anleitung und Übung. Schriftspracherwerb ist ein komplexer Prozess, der eng mit der kognitiven, motorischen und sprachlichen Entwicklung verbunden ist. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Phasen, Voraussetzungen und Herausforderungen des Schriftspracherwerbs.

1. Was ist Schriftspracherwerb?

Der Begriff Schriftspracherwerb beschreibt den Prozess, durch den Kinder lernen, Sprache zu lesen und zu schreiben. Dabei handelt es sich um den bewussten Erwerb von Fähigkeiten, die weit über das bloße Wiedergeben von Buchstaben hinausgehen. Es geht um das Verständnis dafür, dass geschriebene Sprache eine Bedeutung transportiert und bestimmten Regeln folgt.

2. Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb

Bevor Kinder mit dem eigentlichen Lesen- und Schreibenlernen beginnen, müssen sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen:

  • Sprachliche Kompetenz: Ein gutes Hörverstehen und ein ausreichender Wortschatz sind entscheidend.
  • Phonologische Bewusstheit: Kinder müssen Laute in Wörtern erkennen und unterscheiden können (z. B. Anlaute hören).
  • Kognitive Reife: Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und logisches Denken spielen eine wichtige Rolle.
  • Motorische Fähigkeiten: Feinmotorik und Koordination sind notwendig, um Buchstaben schreiben zu können.

3. Phasen des Schriftspracherwerbs

Der Erwerb der Schriftsprache verläuft in mehreren Phasen:

a) Präliteral-symbolische Phase

Kinder erkennen erste Schriftzeichen, wissen aber noch nicht, was sie bedeuten. Sie „lesen“ Logos und Symbole im Alltag (z. B. das McDonald’s-Zeichen).

b) Logographische Phase

Wörter werden ganzheitlich erkannt, ähnlich wie Bilder. Es findet jedoch noch keine Laut-Buchstaben-Zuordnung statt.

c) Alphabetische Phase

Kinder lernen, dass Buchstaben mit bestimmten Lauten verbunden sind. Sie beginnen, Wörter lautgetreu zu schreiben (z. B. „Hond“ statt „Hund“).

d) Orthografische Phase

Es erfolgt ein zunehmend regelgeleiteter Gebrauch der Schrift. Kinder lernen Rechtschreibregeln, Ausnahmen und grammatikalische Strukturen kennen.

4. Bedeutung der Schuleingangsphase

In der Schule werden diese Entwicklungsschritte systematisch unterstützt. Methoden wie die Fibelmethode, das Lesen durch Schreiben oder der Spracherfahrungsansatz verfolgen unterschiedliche pädagogische Ziele, die jedoch alle auf die Förderung der Lese- und Schreibkompetenz abzielen.

5. Herausforderungen und Förderbedarf

Nicht alle Kinder durchlaufen den Schriftspracherwerb problemlos. Schwierigkeiten können z. B. durch:

  • mangelnde Sprachförderung im frühen Kindesalter
  • unzureichende phonologische Bewusstheit
  • motorische Defizite
  • mehrsprachige Aufwachsbedingungen

entstehen. Eine gezielte Förderung durch Eltern, Lehrkräfte und ggf. therapeutische Fachkräfte ist dann besonders wichtig.

6. Die Bedeutung der Silben im Schriftspracherwerb

Ein zentraler Baustein im Schriftspracherwerb ist das Verständnis von Silben. Silben sind rhythmische Einheiten der gesprochenen Sprache, die Kindern helfen, Wörter zu strukturieren und leichter zu schreiben. Besonders im Anfangsunterricht spielt die sogenannte Silbenmethode eine wichtige Rolle: Wörter werden in farblich markierte oder rhythmisch geklatschte Silben – die sogenannte Silbenschrift – unterteilt, was das phonologische Bewusstsein stärkt. Dabei begegnen Kinder auch dem Begriff Silbenkönig – so wird der Vokal einer Silbe genannt, da jede Silbe mindestens einen Vokal enthalten muss. Die Regel „Jede Silbe hat einen König“ hilft Kindern, das Prinzip der Silbenbildung zu verinnerlichen und fehlerfreiere Schreibungen zu entwickeln. Diese spielerische Herangehensweise unterstützt den Lese- und Schreibprozess erheblich, indem sie den Kindern ein einfaches, aber wirkungsvolles System zur Strukturierung der Schriftsprache an die Hand gibt.